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Die Architekten der Mannheimer Bunker: Josef Zizler - Teil I: Vorgeschichte

schwarz-weiß Foto eines langestreckten Gebäudes, das das Fröbelseminar in Mannheim beheimatete, um 1930

Wer waren eigentlich die Architekten der Mannheimer Bunker? Ein Name, der im Zusammenhang mit den Luftschutzbauten Mannheims immer wieder genannt wird, ist der des früheren Leiters des städtischen Hochbauamts: Josef Zizler.

Doch auch andere Architekten waren an der Planung der Bunker beteiligt, so zum Beispiel Oberbaurat Manfred Dörr, ehemals Leiter der Entwurfsabteilung des städtischen Hochbauamts, und dessen Mitarbeiter Baurat Alfred Müller. Aber auch Peter Urban, später Geschäftsführer der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft Mannheim, und sogar der Schöpfer der Mannheimer Christuskirche, Christian Schrade, wirkten am Bau der Mannheimer Bunker mit. Der führende Kopf des Mannheimer Bunkerbauprogramms war jedoch Josef Zizler.

Josef Zizler (1881-1955)

Zizler leitete das städtische Hochbauamt bereits seit fast 20 Jahren, als er im Oktober 1940 nach Berlin entsandt wurde, um die Richtlinien der Reichsregierung für den Bunkerbau entgegenzunehmen. Der Minister für Bewaffnung und Munition, Fritz Todt, hatte Vertreter des Bauwesens aus rund 70 Städten zu einer Sitzung einberufen, in der sie aufgefordert wurden, umgehend mit der Errichtung von Luftschutzbunkern zu beginnen. Wie Zizler später berichtete, entschied er noch während der Rückreise aus Berlin, nicht in allen Punkten den Empfehlungen des Reichsministers folgen. Denn dieser hatte sich für den Bau kleiner Anlagen mit einem maximalen Fassungsvermögen von 750 Personen ausgesprochen, was nach Zizlers Meinung nicht effektiv genug war, so dass er wesentlich größere Bunker errichten ließ. Im einst gewaltigsten Hochbunker mit Platz für 7.500 Menschen ist heutzutage das MARCHIVUM | Mannheims Archiv, Haus der Stadtgeschichte und Erinnerung beheimatet. Der größte Tiefbunker, auf dem Lindenhof unter dem Pfalzplatz, bot bei maximaler Auslastung sogar bis 16.000 Menschen Schutz. Zizler setzte sich also über die Empfehlung des Reichministers hinweg, so wie er auch in früheren Jahren sein Amt couragiert und mit kühlem Kopf leitete.


Josef Zizler am 25. April 1954 als ihm die Schillerplakette der Stadt Mannheim verliehen wurde, Foto: MARCHIVUM

1881 im bayerischen Zwiesel geboren, studierte er an der Technischen Hochschule München Architektur. Danach profilierte er sich als Stadtbaurat zunächst in Fürth (1911-1916/17), dann in Berlin-Neukölln (1917-1921), ehe er zum 1. April 1921 in das Hochbauamt der Stadt Mannheim wechselte. Er hatte sich auf die frei gewordene Stelle des Amtsleiters nicht eigens beworben, sondern war einem Ruf nach Mannheim gefolgt. Möglicherweise war er der Wunschkandidat von Mannheims damaligem Oberbürgermeister Theodor Kutzer gewesen, der als früheres Stadtoberhaupt von Fürth (1901-14) den Architekten gekannt haben muss.

Als Zizler seine Stelle, zunächst als Oberbaurat, dann als Oberbaudirektor, antrat, übernahm er nicht nur die Leitung des Hochbauamts, sondern auch die des neu gebildeten Dezernats für Hochbauwesen, Baupolizei und Gartenverwaltung. So besaß er weitreichende Befugnisse, die er gezielt dafür einsetzte, die architektonische und städtebauliche Entwicklung Mannheims voranzutreiben. Dabei setzte er voll und ganz auf die architektonische Moderne der 1920er Jahre, Neue Sachlichkeit und Bauhausmoderne. Manchen Widerstand überwindend, schritt er mit eigenen Bauten voran. Exemplarisch sei hier auf das Fröbelseminar und die heutige Helene-Lange-Schule sowie den Kuppelbau des Planetariums im Unteren Luisenpark verwiesen, oder auf die Bäckerwegsiedlung, für die er Zeilenbauten mit vorgelagerten Verkaufsläden schuf. Erwähnung verdient auch die Villa des Oberbürgermeisters am Oberen Luisenpark, die durch ihre moderne Form von geradezu programmatischem Charakter war.


Das Fröbelseminar auf dem Lindenhof wurde 1926-27 als Ausbildungsstätte für Kindergärtnerinnen errichtet. Es ist durch seine kubische Baukörpergliederung und weitgehenden Verzicht auf Bauschmuck ein signifikantes Beispiel des modernen Architekturstils jener Jahre, Foto um 1930: MARCHIVUM


Die Mädchenberufsschule entstand 1928-30. Als heutige Helene-Lange-Schule steht sie in der Oststadt. Ihr Kennzeichen sind kubische Klinkerbauten, die den Schulhof umgreifen. Ein Eckturm verbindet die Flügelbauten zu einer markanten Anlage im Stil der Bauhausmoderne, Foto um 1930: MARCHIVUM


Amtsvilla des Oberbürgermeisters am Oberen Luisenpark, erbaut 1928-29. OB Hermann Heimerich ließ diese Villa errichten, die nicht nur im äußeren Erscheinungsbild, sondern auch im Inneren ganz im Stil der Moderne der Weimarer Republik gestaltet war. Durch den Krieg ging auch dieses bemerkenswerte Werk von Zizler verloren, Foto um 1930: MARCHIVUM


Bäckerwegsiedlung in Käfertal, erbaut 1931. Die leicht geneigten Dächer der Wohnzeilen zeigen, dass Zizler bei aller Begeisterung für das Neue Bauen die Funktionalität nicht außer Acht ließ. Denn um den Abfluss von Regenwasser zu erleichtern, verzichtete er auf das damals so beliebte Flachdach, Foto um 1932: MARCHIVUM

Zizler plante seine Gebäude immer mit dem Anspruch nach größtmöglicher Funktionalität. In seinen Vorträgen und Veröffentlichungen setzte er sich mehrfach für den modernen Baustil ein, den er 1928 als "fast umstürzlerisch" bezeichnete.  Damit hatte er zweifellos recht, denn das Neue Bauen, wie man damals sagte, brach radikal mit den Architekturformen der Zeit um 1900, mit Historismus und Jugendstil. Dabei lag Zizler nicht nur das moderne Erscheinungsbild der Stadt  am Herzen, sondern auch die "Zukunftsgestaltung Mannheims". Darunter verstand er die Weiterentwicklung der Stadt zu einer modernen Metropole, in der Architektur und Städtebau ihren Beitrag zur Bewältigung, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und sozialer Aufgaben leisten. So verwunderte es nicht, dass er in den Jahren der Weltwirtschaftskrise zur Minderung der Wohnungsnot ein umfangreiches Bauprogramm zugunsten kostengünstiger Wohnanlagen und Siedlungshäuser einleitete. Der Oberbaudirektor, wie er sich seit etwa 1926 nennen durfte, war zwar Visionär, er blieb aber dennoch auf dem Boden der Realität und machte sich neben allen Zukunftsplanung auch die Lösung aktueller Probleme zur Aufgabe.

Dass Zizler in Mannheim hoch angesehen war, dass seine Erfahrung, sein Wort und seine Ideen viel galten, mag erklären, dass er sich auch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten als Mannheims erster Architekt und Stadtplaner behaupten konnte. Denn politisch stand er der NSDAP nie nahe. Er trat der Partei auch nicht bei, so wie dies viele Andere taten, um ihre Karriere nicht zu gefährden. Dennoch blieb er Chef des Hochbauamts und wurde zudem 1935 zum Geschäftsführer der GBG, Mannheims gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft. So zeichnete er auch nach 1933 für viele Neubauten verantwortlich.

Der Bruch zu den Weimarer Jahren ist jedoch augenfällig. Die Nationalsozialisten lehnten die als undeutsch verfemte Moderne der Weimarer Republik ab und propagierten stattdessen den sogenannten Heimatschutzstil, der heimatliche Bautraditionen wiederbelebte. Ob es dem Verfechter moderner Architektur schwer fiel, diesen Stil mitzutragen? Beispielhaft zeigen die Schönauschule und die Jugendherberge auf dem Lindenhof, dass er sich der neue Richtung durchaus anpasste. Nun verwendete er traditionelle Bauformen und Gestaltungselemente, die er zuletzt vermieden hatte: Satteldächer, Wanddekorationen, Säulen, Natursteingliederungen und andere Details eines traditionell geprägten Baustils. In Schönau entstanden unter seiner Leitung sogar Siedlungshäuser mit Fachwerkgiebeln.


Schönauschule, erbaut 1938-41. Ein Bauwerk ganz im Sinne des Heimatschutzstils der Nationalsozialisten. Der Unterschied zur Bauhausmoderne der 1920er Jahre ist augenfällig, Foto des Modells um 1941: MARCHIVUM


Ein weiteres Beispiel des Heimatschutzstils: Die Jugendherberge auf dem Lindenhof entstand 1936-37 mit traditionellem Satteldach und zum Rheinufer hin ausgerichtet als zweisstöckige Loggia, Foto um 1938: MARCHIVUM

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